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Dr. Peter Schweigert, Statistische Monatshefte Niedersachsen 6/99

Eine Innovation im niedersächsischen Agrarbereich - die Düngung nach der Nmin-Methode

Mangel an Innovation in Niedersachsen

Das Niedersächsische Landesamt für Statistik hat kürzlich umfangreiche Datensammlungen analysiert (Eichhorn u. Thomas, 1999) und daraus Kennzahlen abgeleitet, die einen Vergleich Niedersachsens mit anderen Bundesländern ermöglichen. Aus diesen Kennzahlen konnte gefolgert werden, dass Niedersachsen z.B. wegen einer niedrigen Kriminalitätsrate als stabil einzustufen ist, jedoch wenig innovativ zu sein scheint, wie z.B. die ebenfalls niedrige Zahl der Gewerbeanmeldungen erkennen läßt. Wenn insgesamt ein Mangel an Innovation vorzuliegen scheint, so trifft dies sicher nicht auf alle Wirtschaftszweige und Institutionen in gleicher Weise zu. Um Mängeln zu begegnen, kann die Bewußtmachung von Stärken hilfreich sein. Es ist deshalb das Ziel des vorliegenden Artikels, ebenfalls durch die Analyse von Datensammlungen einen Bereich aufzuzeigen, in dem sich Niedersachsen als besonders innovativ erwiesen hat.

 

Eine niedersächsische Innovation im Agrarbereich: Die Nmin-Methode

Die Darstellung beruht nicht auf amtlich erhobenen Daten, sondern auf solchen, die von Landwirten zum Zweck der Düngeplanung nach der sogenannten Nmin-Methode erhoben wurden. Diese an der Universität Hannover von Scharpf (1977) entwickelte Methode wird nun in vielen Betrieben bundesweit seit 20 Jahren angewandt. Grundprinzip der Nmin-Methode ist, die Menge des mineralischen Stickstoffs im Boden (=Nmin), welche weitgehend aus Nitrat besteht, vor allem im Frühjahr durch Messung zu bestimmen und daraus den wirtschaftlich optimalen Düngebedarf abzuleiten. Die jährliche Messung ist erforderlich, da der Nmin-Gehalt witterungsbedingt von Jahr zu Jahr erheblich schwankt.

 

Nitrat: Im Boden erwünscht, im Trinkwasser ein Problem

Der größte Teil des dem Boden zugeführten Dünge-Stickstoffs wird entweder direkt als Nitrat gedüngt oder in kurzer Zeit im Boden in Nitrat umgewandelt. Im Boden ist Nitrat für die Ernährung der Kulturpflanzen wichtig, wird überschüssiges Nitrat jedoch in das Grundwasser ausgewaschen, führt es zu Problemen, denn die Nitratkonzentration im Trinkwasser darf den relativ strengen Grenzwert von 50 mg/l nicht überschreiten. Während zur Zeit der Entwicklung der Nmin-Methode ihr wirtschaftlicher Aspekt im Vordergrund stand, wird heute mehr Wert darauf gelegt, dass durch die Berücksichtigung des Nmin-Gehaltes eine das Grundwasser stärker belastende Überdüngung weitgehend vermieden werden kann. Es soll im folgenden durch ein Beispiel gezeigt werden, wie es seit der Einführung der Düngung nach der Nmin-Methode zu einem deutlichen Rückgang der Nmin-Werte und somit auch zu einem Rückgang der Nitratkonzentration im neugebildeten Grundwasser gekommen ist.

 

Beispiel für die Entwicklung der Nmin-Werte in Ackerbaubetrieben

Die Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Nmin-Gehalte von durchschnittlich 14 mit Winterweizen bestellten Feldern im Frühjahr in den Jahren 1977-1997. Die Felder gehören zu 5 Ackerbaubetrieben und befinden sich in einem Wasserschutzgebiet bei Wolfenbüttel (näheres bei Schweigert, 1998).

Abb. 1: Entwicklung der Nmin- Gehalte im Frühjahr vor Winterweizen von 5 Betrieben bei Wolfenbüttel

Wie die Abb. 1 zeigt, schwanken die Nmin-Gehalte zwischen annähernd 120 und 40 kg N/ha. Die Regressionsgerade zeigt, dass die Werte insgesamt rückläufig sind. Aus der Regressionsgleichung geht hervor, dass der jährliche Rückgang 1,5 kg N/ha beträgt. Allerdings sind, wie das Bestimmtheitsmaß r2 zeigt, nur 21 % der Änderungen der Werte durch diesen Rückgang zu erklären. Von diesem Trend gibt es deshalb teilweise erhebliche Abweichungen. So wurde im Jahr 1996 ein relativ hoher Nmin-Wert, der einige Spitzenwerte der ersten Jahre noch übersteigt, gemessen. Betrachtet man nur die Werte der neunziger Jahre, ist deshalb ein Rückgang kaum noch erkennbar.

Wie bereits erwähnt, sind die Schwankungen von Nmin-Werten stark durch die Witterung bedingt. Dies kann auch für dieses Beispiel gezeigt werden. Die Abb. 2 zeigt, dass geringe Niederschläge in den letzten 12 Monaten (März-Februar) vor der Ermittlung des Nmin-Gehaltes im Frühjahr in der Regel mit hohen Nmin-Werten verbunden sind und umgekehrt. So sind auch dem sehr hohen Meßwert des Jahres 1996 sehr trockene Monate vorangegangen. Es ist deshalb anzunehmen, dass hier tatsächlich ein Trend vorliegt, der jedoch durch den starken Niederschlagseinfluß überlagert ist. Diese Vermutung wird bereits durch einen Vergleich der beiden höchsten Nmin-Gehalte der Meßreihe bestätigt. Denn während zu Beginn des Untersuchungszeitraumes (1977) bei einer Niederschlagsmenge von ca. 450 mm ein Wert von fast 120 kg N/ha gemessen wurde, lag er bei praktisch gleicher Niederschlagsmenge im Jahr 1996 etwa 20 kg N/ha darunter. Wenn bei gleicher Niederschlagssumme heute die Nmin-Werte deutlich kleiner sind als vor 20 Jahren, erfolgte möglicherweise ein Rückgang der Werte im Laufe der Zeit.

Abb. 2: Nmin- Gehalte aus Abbildung 1 in Abhängigkeit von der Niederschlagssumme der Monate März bis Februar vor der Probenahme

Der in Abb. 2 anschaulich dargestellte Niederschlagseinfluß kann mit der folgenden Regressionsgleichung, die aus den Niederschlags- und Nmin-Werten berechnet wurde, beschrieben werden:

Nmin (kg N/ha) = -0,26 * Ns(10-2)-0,12 * Ns(4-9)+168 r2 = 0,71

In der Gleichung stellt Ns(10-2) die Niederschlagssumme der Monate Oktober bis Februar und Ns(4-9) die Niederschlagssumme der Monate April bis September des jeweiligen Zeitraumes vor der Probenahme dar. Sie zeigt, dass 71 % der Schwankung der Werte in der Meßreihe auf die Niederschläge zurückgeführt werden können. Mit dieser Gleichung kann der Niederschlagseinfluß eliminiert werden, indem von den Meßwerten in den einzelnen Jahren die mit der Gleichung berechneten Werte abgezogen werden. Diese "Residuen" zeigen den "Rest" der Variabilität der Werte, der nicht durch den Niederschlag erklärt werden kann. Werden die ungeklärten Reste der Variabilität in ihrem zeitlichen Verlauf aufgetragen, ergibt sich ein niederschlagsbereinigter zeitlicher Trend (Abb. 3):

Abb. 3: Niederschlagsbereinigter Rückgang der Nmin-Gehalte im Frühjahr vor Winterweizen von 5 Betrieben bei Wolfenbüttel

In den ersten Jahren sind die Residuen positiv, d.h. die Nmin-Gehalte lagen über der Gehalten, die normalerweise bei dieser Niederschlagsmenge zu erwarten gewesen wäre, während es in späteren Jahren umgekehrt ist. Der jährliche Rückgang ist mit 1,4 kg N/ha praktisch gleich groß wie in der Abb. 1, in der der Niederschlagseinfluß noch nicht herausgerechnet wurde. Jedoch ist der Rückgang nun etwa dreimal deutlicher zu erkennen, denn in Abb. 3 beschreibt der Trend 61 % der Schwankungen der Werte. Der niederschlagsbereinigte Wert des Jahres 1996 fällt in Abb. 3 deshalb auch nicht mehr besonders auf. Folglich lassen die niederschlagsbereinigten Werte im Gegensatz zu den unbereinigten Werten (Abb. 1) auch dann einen deutlichen Rückgang erkennen, wenn allein die neunziger Jahre betrachtet werden.

 

Grundwasserschutz seit 20 Jahren

Es ist davon auszugehen, dass ein Rückgang der Nmin-Werte im Frühjahr mit verminderten Nitrat-Auswaschungsverlusten verbunden ist, denn rückläufige Werte im Frühjahr lassen auch auf rückläufige Werte im Herbst, also zu Beginn der Auswaschungsperiode, schließen (Hoffmann u. Richter, 1988). Deshalb hat die Düngung nach der Nmin-Methode wesentlich zu einer Absenkung der Nitratbelastung des neugebildeten Grundwassers unter den Winterweizenflächen dieser Betriebe geführt. Auch bei anderen Untersuchungen wurde ein Rückgang der Nmin-Werte bei Winterweizen festgestellt (Schweigert u. van der Ploeg, 1998). Es ist deshalb wahrscheinlich, dass ähnliche Trends bei Ackerbaubetrieben als Folge der Einführung der Düngung nach der Nmin-Methode häufig anzutreffen sind. Repräsentativ für die gesamte Landwirtschaft in Niedersachsen dürften die Ergebnisse jedoch nicht sein.

Der dargestellte Rückgang der Werte begann bereits zu einer Zeit, in der von der Notwendigkeit einer Absenkung der Nitratkonzentration im Grundwasser noch kaum die Rede war. Die Nmin-Methode hat deshalb bereits zur Lösung eines Problems beigetragen, bevor dieses Problem der Öffentlichkeit überhaupt stärker bewußt wurde. Was die 1996 in Kraft getretene Düngeverordnung fordert (Düngung entsprechend dem Bedarf der Pflanze), leistet diese Methode seit 20 Jahren. Die Tatsache, dass die niedersächsische agrarwissenschaftliche Forschung in diesem Bereich dem Gesetzgeber um zwei Jahrzehnte voraus war, zeigt den ausgesprochen innovativen Charakter der Methode. Gleiches gilt für Landwirte, die nach dieser Methode seit vielen Jahren ihre Düngung planen.

 

Umfangreiche Datensammlungen sind entstanden

Die hier dargestellten Berechnungen beruhen auf ca. 300 Einzelwerten von 5 Betrieben. Diese Daten stellen nur einen sehr kleinen Teil aller in Niedersachsen vorliegenden Meßwerte dar. Vor allem bei Bodenuntersuchungsinstituten und neuerdings bei Trägern der Zusatzberatung in Wasserschutzgebieten sind sehr umfangreiche Datensammlungen entstanden. Die Geschäftsleitung des Bodenuntersuchungsinstitutes Koldingen (Wilhelm, mdl. Mitteilung 1999) schätzt, daß im Laufe von 20 Jahren in Niedersachsen von verschiedenen Einrichtungen insgesamt mindestens eine viertel Million Einzelwerte bestimmt wurden. Wenn die Analyse von 300 Einzelwerten bereits recht aufschlußreich ist, läßt die Gesamtzahl aller Meßwerte erahnen, welches Informationspotential hier vorliegt.

 

Ausblick

Zumindest zu dem Anteil der Werte, der im Rahmen der Zusatzberatung in Wasserschutzgebieten erhoben wird, hat die niedersächsische Wasserwirtschaftsverwaltung einen unmittelbaren Zugang. Die Auswertung dieser Daten könnte z.B. die Frage beantworten, ob Maßnahmen in Wasserschutzgebieten ähnlich erfolgreich waren, wie es die Abb. 3 zeigt. Zwar stellen statistische Auswertungen von Nmin-Werten noch zu einem großen Teil Neuland dar, jedoch könnte "ein wenig mehr Innovation und Wagemut dem Land sicher nicht schaden" (Eichhorn u. Thomas, 1999).

Während in der Vergangenheit Messungen von Nmin-Gehalten weitgehend allein dem einzelbetrieblichen Ziel der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit dienten, wird heute darüber hinaus besonders die durch die Messungen mögliche Vermeidung einer grundwasserbelastenden Überdüngung geschätzt. In Zukunft dürfte die statistische Analyse immer umfangreicherer Datensammlungen an Bedeutung zunehmen, da so eine Reihe von aktuellen Fragen, wie die nach dem Erfolg von Maßnahmen des Trinkwasserschutzes, beantwortet werden können. Zwar verschieben sich also im Laufe der Zeit die Bedeutungsschwerpunkte, jedoch dürfte sich auch in Zukunft dieser Bereich der agrarwissenschaftlichen Forschung als eine innovative Kraft Niedersachsens erweisen, der deshalb auch weiterhin gefördert werden sollte.

 

Literatur

Hoffmann, A. und J. Richter. 1988. 10 Jahre Nmin-Methode in Südostniedersachsen - Erfolge, Erfahrungen, Grenzen. Kali-Briefe 19, 277-296.

Eichhorn und Thomas. 1999. Niedersachsen-Monitor Z6-j/98. Statistische Berichte Niedersachsen. Niedersächsisches Landesamt für Statistik.

Scharpf, H.C. 1977. Die Bedeutung des Mineralstickstoffgehaltes des Bodens als Maßstab für den Stickstoffdüngerbedarf. Dissertation, Universität Hannover.

Schweigert, P. 1998. Multiple Regressionsmodelle zur Witterungsabhängigkeit von Nmin-Werten: Grundlagen und Anwendungsmöglichkeiten. Agribiol. Res. 51, 253-260.

Schweigert, P. und R.R. van der Ploeg. 1998. Erfolgskontrolle bei grundwasserschonender Landwirtschaft durch den Nachweis witterungsunabhängiger Nmin-Trends. Wasser und Boden 50/5, 18-21.